»Gewaltbezogene Lebensformen«

Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts »Flucht aus der Freiheit. Der Weg junger Männer in den Dschihadismus«.

Organisiert von Felix Roßmeißl und Ferdinand Sutterlüty. Anmeldung bis zum 26. Mai 2023 unter: rossmeissl@em.uni-frankfurt.de

Das Dasein von Soldatinnen, Söldnern, Milizionären, Polizistinnen, Terroristinnen und überhaupt von Personen und Kollektiven, die die Ausübung von körperlicher Gewalt zu ihrem Beruf oder ihrer politischen und religiösen Berufung gemacht haben, lässt sich nicht auf Gewalttätigkeiten reduzieren. Darauf hat die sozial- und geschichtswissenschaftliche Forschung immer wieder hingewiesen. Neben ihren gewaltsamen Aktivitäten führen diese Personengruppen auch ein Sozialleben, gehen kulturellen Aktivitäten nach, haben Familie oder vertreiben sich anderweitig ihre freie Zeit. Zugleich aber bleibt dieses Leben selten unberührt von der Vorbereitung auf und der Partizipation an Formen organisierter Gewalt. Zum einen sind die betreffenden Männer und Frauen meist Mitglieder von Organisationen, Gruppen oder Subkulturen, die ihr Leben in Beschlag nehmen. Sie leben kaserniert oder im Untergrund, halten sich abgeschottet in Trainingscamps oder den Einsatzgebieten auf und werden Ausbildungen unterzogen, die auf eine persönliche und körperliche Anpassung zielen. Auch haben sie sich häufig Normen und Ideologien verschrieben, die nicht nur ihre Kampfmoral, sondern sie als ganze Person affizieren. Sie werden zu Kameradinnen und Kameraden, Brüdern oder Kampfgenossinnen und gehen damit Verpflichtungen ein, die bis ins Privatleben reichen. Zum anderen können sich Gewalterfahrungen entgrenzen und das Verhältnis gewalttätiger Personen und Kollektive zur restlichen Welt verändern. Entfremdung vom »normalen Leben« oder die Ausweitung von Gewalthandlungen auf zivile und lebensweltliche Kontexte können die Folge sein.

Auf diese Weise erstehen spezifische Lebensformen, die sich um organisierte Gewalt formieren. Sie sind das Thema des interdisziplinären Workshops »Gewaltbezogene Lebensformen«. Aus unterschiedlichen Perspektiven und auf verschiedenen empirischen Feldern diskutieren wir, wie sich Formen organisierter Gewalt und das Leben um sie herum zueinander verhalten. So möchten wir verstehen, wie organisierte Gewalt in das soziale Leben von Gruppen eingebettet ist. Wie sehen gewaltbezogene Lebensformen aus? Tragen sie zur Mobilisierung von Gewalthandlungen bei? Und wie wird das Antun und Erleiden von Gewalt in solchen Lebensformen verarbeitet? Entlang diese Fragen möchten wir im gemeinsamen Austausch ein besseres und kritisches Verständnis von Gewaltkulturen entwickeln.

 

Ort: Institut für Sozialforschung

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