Moritz Rinn: Arbeit am Wohnen: Gesellschaftliche Wohnverhältnisse ‚from below‘ erforschen
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des DFG-Graduiertenkollegs »Gewohnter Wandel. Gesellschaftliche Transformation und räumliche Materialisierung des Wohnens«
Krisen der Wohnraumversorgung werden in Stadt- und Wohnungsforschung aus verschiedenen Perspektiven untersucht. Innerhalb der kritisch-materialistischen Tradition wird die politische Ökonomie des Wohnens kapitalismusanalytisch fokussiert. Transformationen der Akkumulationsstrategien des (Immobilien-)Kapitals und der staatlichen Praktiken und Institutionalisierungen, die Kapitalakkumulation und soziale Reproduktionsbedingungen zu regulieren versuchen, werden als Materialisierungen von gesellschaftlichen Kämpfen und Kräfteverhältnissen begriffen. Kurz: Im Mittelpunkt des Interesses stehen Staat, Kapital und (Mieterinnen-)Bewegungen. Die Frage allerdings, wie umkämpfte gesellschaftliche Wohnverhältnisse alltäglich hergestellt und damit erst praktisch realisiert werden, bleibt analytisch oftmals eher vage beantwortet. Um hier nicht auf quasi-strukturalistische Erklärungsfiguren zurückzugreifen, die institutionalisierte Machtasymmetrien oder „objektive“ gesellschaftliche Veränderungen als „Ursachen“ etwa für massive Verschlechterungen der Reproduktionsbedingungen von Mieterinnenhaushalten in den letzten Jahrzehnten heranzuziehen, bedarf es einer theoretischen und methodologischen Erweiterung. Im Vortrag diskutiere ich die Perspektive der Arbeit am Wohnen from below, die die interaktive Hervorbringung von Wohnraumversorgung untersucht – ausgehend von Erfahrungen der Leute*, die daran arbeiten, sich Wohnraum anzueignen, zu verteidigen, bewohnbar zu halten und in urbanen Nachbarschaften zu einem Zuhause zu machen. Die Forschungsperspektive from below ist in kritischer Gesellschaftsforschung verortet, die soziale Reproduktionsverhältnisse zum analytischen Ausgangspunkt macht.
Dr. Moritz Rinn ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik der Universität Duisburg-Essen. Sein Interesse gilt einer kritischen Gesellschaftsforschung, seine Arbeitsschwerpunkte sind städtisches Wohnen, Gentrifizierung, Stadtentwicklungspolitik, soziale Bewegungen und Konflikte, Sozial-, Sicherheits- und Kontrollpolitiken sowie urbane Marginalisierung. Zuletzt veröffentlichte er die im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienene Monografie (2024) „Arbeit am Wohnen. Zur schwierigen Aneignung eines städtischen Reproduktionmittels“.
Im Rahmen unserer Ringvorlesung werden Wissenschaftler:innen aus dem In- und Ausland Einblicke in aktuelle und transdisziplinäre Zugänge internationaler Wohnungsforschung. Im Zentrum stehen zwei Kernfragen: »Warum und auf welche Weise können wir das Wohnen erforschen?« »Welchen Zusammenhang sehen wir zwischen gesellschaftlicher Transformation und räumlicher Materialisierung des Wohnens?« Die Ringvorlesung des Kollegs findet während des Semesters regelmäßig am Dienstag um 18.30 Uhr im Wechsel an den Standorten des Kollegs (Weimar und Frankfurt/Main) statt. Es gibt die Möglichkeit einer digitalen Teilnahme (Zugangscode: 635539) https://meeting.uni-weimar.de/b/kat-ek9-0up-qom