»Die Irrationalität des Ganzen: hier, gleich an der nächsten Ecke, ist sie alltagspraktisch zu besichtigen«

Stellungnahme des Institutsrats des IfS zur Räumung der besetzten Dondorf-Druckerei

 

Als akademische Einrichtung, die über einschlägige historische Erfahrung mit der Veranlassung einer polizeilichen Räumung Studierender verfügt, möchte das Institut für Sozialforschung seinem Befremden über das Vorgehen der Goethe-Universität im Zusammenhang mit der Besetzung der Dondorf-Druckerei Ausdruck geben.

Die Besetzung eines Hörsaals auf dem Campus Westend wurde Ende vergangenen Jahres umgehend mit einem durch Strafanzeige der Goethe-Universität veranlassten Polizeieinsatz beendet, nachdem sich die klimapolitisch aktiven Studierenden geweigert hatten, ihren Protest in Räumlichkeiten auf dem Campus Bockenheim zu verlegen. Der reguläre Studienbetrieb, so die Universitätsleitung damals, müsse unbedingt aufrechterhalten werden. Nun haben Student:innen das damalige Umzugsangebot beim Wort genommen und eine für Lehrveranstaltungen nicht verwendete und auch anderweitig kaum genutzte Liegenschaft im Besitz der Goethe-Universität am Campus Bockenheim besetzt – und werden, nur wenige Monate später und nach knapp drei Wochen des universitären Zuwartens, neuerlich gewaltsam entfernt.

In ihrer Stellungnahme imaginiert die Goethe-Universität einen »nicht abschätzbaren immateriellen Schaden« für den Fall einer potenziellen Beschädigung des noch im Gebäude untergebrachten Universitätsarchivs durch die Besetzenden. Mit der erfolgten Räumung wird nun aber der abschätzbare materielle Schaden des Abrisses eines industriekulturellen Denkmals samt damit einhergehender Umweltbelastung folgen – verbunden mit dem unschätzbaren immateriellen Schaden der Zerstörung eines historischen Orts jüdischen Lebens in Frankfurt.

Das Institut für Sozialforschung, in Sichtweite – noch – der Dondorf-Druckerei gelegen, bedauert die Vorgehensweise der Universitätsleitung und betrauert den absehbaren Verlust des emblematischen Gebäudes in seiner Nachbarschaft. Die von den Besetzer:innen wie auch der lokalen Initiative zum Erhalt der Druckerei vorgebrachten Nutzungsvorschläge im Sinne der Etablierung bürgergesellschaftlicher Freiräume wurden zu keinem Zeitpunkt ernsthaft diskutiert. Der Campus Bockenheim, von der Universität verlassen, droht seine Qualität als Ort einer demokratischen Gestaltung von Gesellschaft zu verlieren. Die Irrationalität des Ganzen: hier, gleich an der nächsten Ecke, ist sie alltagspraktisch zu besichtigen.  

Frankfurt am Main, am 14. Juli 2023

 

Kontakt:

Mirko Broll, Referent für Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Sozialforschung.

broll@em.uni-frankfurt.de

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